Über die Sammlung | Sammlungsgeschichte | Zugang | Weiterführende Hinweise
Fachwissenschaftliche Zuordnung
Geschichte, Rechtswissenschaften
Materialart
hektografierte maschinenschriftliche Dokumente, Fotokopien und Mikrofilme
Umfang
ca. 150 laufende Meter
Status
abgeschlossen
Zeitraum
1945 bis 1949
Region
Deutschland, Europa, USA
Erschließung
teilweise erschlossen
Standort
Historisches Gebäude
Kontakt
Über die Sammlung
Die SUB Göttingen besitzt neben dem Staatsarchiv in Nürnberg die größte Materialsammlung zu den Nürnberger Prozessen in Deutschland. Sie verwahrt eine umfangreiche Sammlung hektografierter maschinenschriftlicher Dokumente, Fotokopien und Mikrofilme zum Prozess des International Military Tribune gegen die Hauptkriegsverbrecher (IMT) vom 20. November 1945 bis zum 14. April 1949 sowie zu den zwölf Nachfolgeprozessen (NMT) zwischen 1946 und 1949. Zu den Materialien gehören Kopien der Gerichtsakten und der Verfahrensunterlagen sowie der in den Prozessen verwendeten Beweismaterialien. Der ursprüngliche Bestand wurde im Laufe der Zeit durch Mikrofilme sowie durch weitere zeitgenössische Quellenzeugnisse und Dokumente von anderen Stellen erweitert.
Sammlungsgeschichte
Bei den Beständen der SUB Göttingen handelt es sich in der Hauptsache um Kopien der Akten, die im Verlauf der Prozesse zahlreich für die verschiedenen beteiligten Parteien angefertigt wurden. Urheber der Sammlung ist Herbert Kraus (1884–1965), der in den Nürnberger Prozessen als Gutachter und als Verteidiger aufgetreten war und die Leitung der deutschen Ausgabe der amtlichen Publikation zum Hauptkriegsverbrecherprozess übernommen hatte. Kraus hatte bis 1937 als Professor für Völkerrecht an der Universität Göttingen gelehrt. Bei seiner Rückkehr nach Göttingen 1947 brachte er die Akten, die ihm zum Teil von Tedford Taylor (1908–1998), dem amerikanischen Hauptankläger, überlassen worden waren, nach Göttingen. Zur Erschließung und Erforschung dieses Quellenbestandes wurde 1949 der „Nürnberger Apparat“ (offizieller Titel: Forschungsstelle für Besatzungsfragen) gegründet.
Den maßgeblichen Beitrag zur Katalogisierung der Sammlung leistete Hans-Günther Seraphim (1903–1992), ein enger Mitarbeiter Kraus’ und seit den Nürnberger Prozessen mit der Materie befasst. Nach der Emeritierung Kraus’ ging die Forschungsstelle 1953 in das Institut für Völkerrecht über. Die Akten verblieben dort, bis sie am 1. Oktober 1958 der Niedersächsischen Archivverwaltung übergeben wurden, die den Bestand dem Staatlichen Archivlager Göttingen eingliederte. Nachdem sich eine Schließung des Archivlagers abzuzeichnen begann, wurde die Universitätsbibliothek Göttingen im September 1975 zur neuen Verwahrstätte der umfangreichen Sammlung.
Zugang
Kataloge, Datenbanken und weitere Findmittel
Die Beweismaterialien, vornehmlich beschlagnahmte Unterlagen deutscher Behörden, der Wehrmacht, der NSDAP, der SS sowie weiterer staatlicher Einrichtungen und der Wirtschaft, sind in verschiedene Dokumentenreihen gegliedert. Diese sind in einer Schlagwortkartei mit Kurzregesten und einer Personenkartei erschlossen, die im Lesesaal für Handschriften und Seltene Drucke eingesehen werden können. Einführungen in die Benutzung der Kartei sowie weitere Findmittel stehen im Lesesaal für Seltene Drucke und Handschriften zur Verfügung.
- Schlagwortkartei
- Personenkartei
- Einführung in die Nürnberger Sammlung und Aufbau der Schlagwortkartei
- Zeugenindex – Alphabetical Index of all Witnesses and Defense Counsel heard in the 12 Nurnberg War Crimes Trials with pages of the official transcripts of the proceedings
Zu den Urteilen und ausgewählten Fällen existieren maschinenschriftliche Kurzverzeichnisse.
Indizes zu den Urteilen
Fachliteratur zu den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen bzw. weiteren Kriegsverbrecherprozessen im Bestand der SUB Göttingen ist über die lokalen Klassifikationen abrufbar.
Vor Ort
Unterlagen aus den Nürnberger Prozessakten können per E-Mail oder per Leihschein vor Ort bestellt werden. Die Termine zur Einsichtnahme sollten mindestens zwei Werktage vor der Anreise unter Nennung der gewünschten Signaturen vereinbart werden. Die Unterlagen können ausschließlich im Lesesaal für Seltene Drucke und Handschriften benutzt werden, sofern der konservatorische Zustand dies zulässt. Die Dokumente dürfen fotografiert werden, auf Wunsch werden auch Digitalisate angefertigt.
Signaturen
Die in den Prozessen eingebrachten Beweismaterialien wurden in verschiedene Dokumentenreihen geordnet. Jedes Dokument einer Serie wurde durch eine laufende Nummer bezeichnet. Wurde es als Beweisstück in der Verhandlung herangezogen, erhielt es zudem eine Exhibit-Signatur: Diese besteht im IMT aus dem entsprechenden Länderkürzel (USA, GB, RF, USSR) und einer fortlaufenden Nummer; bei den Nachfolgeprozessen fielen die Länderkürzel weg. Da auf ein Dokument in verschiedenen Prozessen rekurriert werden konnte, tragen manche Beweismittel neben der Sigle der Dokumentenreihe auch unterschiedliche Exhibit-Nummern.
Dokumentenreihen des Hauptkriegsverbrecherprozesses
- EC: Economic
- ECH: Economic, Heidelberg
- ECR: Economic, Reichskreditkassen bzw. Economic Rosenheim
- PS: Paris Storey
- R: Rothschild
- M: Melvin
- TC: Treaty Committee
- C: Crimes
- L: London
Dokumentenreihen der Nachfolgeprozesse
- NG: Nuernberg, Government
- NI: Nuernberg, Industrialists
- NO: Nuernberg, Organizations
- NOKW: Nuernberg, Oberkommando der Wehrmacht
- NP: Nuernberg, Propaganda
- NM: Nuernberg, Miscellaneous
- OCC: Office of Chief Counsel
Digital
Die Akten des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher aus dem Besitz der Universität Stanford stehen mittlerweile komplett online zur Verfügung. Digitalisate oder Volltextversionen der Prozessdokumente aus den Nachfolgeprozessen für die Fälle I bis IV, VII und IX werden von der Harvard Law School Library bereitgestellt. Zugriff auf die kurz nach den Prozessen in verschiedenen Sprachen veröffentlichten offiziellen Prozessakten sowie diese ergänzende veröffentlichte Materialien ermöglichen das Avalon Project der Yale Law School, Zeno.org sowie die World War II Collection der Library of Congress.
Weiterführende Hinweise
- Hans-Stephan Brather: Die Nürnberger Prozeßakten als Geschichtsquelle. Eine Bibliographie, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1969, S. 391–413. ↗GUK
- Hans Günter Hockerts: Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg (1919–1945) (Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit von 1500 bis zur Gegenwart 6,1), Darmstadt 1996, S. 88–93. ↗GUK
- John Mendelsohn: Trial by Document. The Use of Seized Records in the United States Proceedings at Nuernberg, Diss. masch. Maryland 1974, ND New York, London 1988. ↗GUK
- Gabi Müller-Ballin: Die Nürnberger Prozesse 1945–1949. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Dokumente, Nürnberg 1995. ↗GUK
- Lore Maria Peschel-Gutzeit: Das Nürnberger Juristen-Urteil von 1947. Historischer Zusammenhang und aktuelle Bezüge, Baden-Baden 1996. ↗GUK
Verwandte Sammlungen
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ehemalige Offiziersbibliothek im Umfang von ca. 4.000 Bänden