Fragmentesammlung Morbio

Über die Sammlung | Sammlungsgeschichte | Zugang | Weiterführende Hinweise

Spanische Übersetzung von Briefen Senecas ad Lucilium

Materialart

Handschriften auf Pergament und Papier

Umfang

617 Fragmente

Status

abgeschlossen

Zeitraum

6. bis 15. Jahrhundert

Region

Italien, Europa

Erschließung

ansatzweise erschlossen

Standort

Historisches Gebäude

Kontakt

hsd@sub.uni-goettingen.de

Über die Sammlung

Die Fragmentesammlung Carlo Morbio (1811–1881) umfasst 617 Fragmente aus dem 6. bis 15. Jahrhundert. Ihre Inhalte sind vielfältig; Texte klassischer Autoren wie Seneca, Cicero oder Priscian sind ebenso vertreten wie patristische und theologische Werke, die Bibel oder auch volkssprachige Erzählungen. In der Hauptsache handelt es sich um Handschriften in Latein bis auf 21 Blätter in italienischer, französischer und spanischer Sprache. Die einzelnen Fragmente haben unterschiedlichen Umfang: Sie reichen von Teilen eines Blattes, von Einzel- oder Doppelblättern bis hin zu mehreren Blättern einer Lage. Die Beschädigungen zahlreicher Stücke deuten darauf hin, dass sie zuvor als Einbände verwendet worden waren.

Sammlungsgeschichte

Urheber der Sammlung war der italienische Gelehrte Carlo Morbio. Während seiner Studien in italienischen und europäischen Archiven und Bibliotheken baute er sich eine umfangreiche Sammlung auf, zu der neben Handschriften, alten Drucken, Siegeln und Medaillen auch eine ansehnliche Bibliothek zeitgenössischer Publikationen, diverse Kunstwerke und Antiquitäten gehörten. Die Fragmente waren für Morbio eher eine Art „Beifang“ seiner historischen Forschungen: Er berichtet, oft erlebt zu haben, wie Blätter von Handschriften als Bucheinbände oder für andere Zwecke missbraucht worden seien. Daher habe er alles, was ihm erhaltenswert erschien, für seine Sammlung bewahrt. Morbios Suche nach Fragmenten entsprang, ebenso wie diejenige nach Palimpsesten, der Hoffnung, in den vielfach vernachlässigten Bruchstücken auf einen bislang unbekannten Wissensschatz zu stoßen.

Nach Morbios Tod im Jahr 1881 fiel seine Sammlung an die Familie Crespi, in die seine Tochter Giulia eingeheiratet hatte. Nachdem mehrere Versuche der Crespi gescheitert waren, diese in Italien zu veräußern, folgte 1883 der Verkauf an den deutschen Antiquar Theodor Ackermann (1827–1911). Ackermann versteigerte noch im selben Jahr zahlreiche Stücke aus Morbios ehemaligem Besitz auf zwei Auktionen in London und München, hielt jedoch einen Großteil der Handschriften und historischen Drucke zurück. Dieser wurde vom 24. bis. 28. Juni 1889 in Leipzig auf einer Auktion des Antiquariats List & Francke angeboten. Die Urkundensammlung, mehr als 3.400 Dokumente, wurden im Auftrag des Preußischen Unterrichtsministeriums erworben, das sie im Januar 1890 der Universitätsbibliothek Halle zuwies. Sie wurde zwischen 2020 und 2024 im Rahmen eines Projekts in Halle erschlossen, katalogisiert und digitalisiert.

Von deutscher Seite beteiligten sich weiterhin nachweislich die Bibliothek des Reichsgerichts in Leipzig, die Königliche Bibliothek zu Berlin und die Universitätsbibliothek Göttingen an der Auktion. Die Göttinger kauften die Fragmente und eine Sammelhandschrift mit Predigten aus dem 15./16. Jahrhundert sowie mehrere Drucke des 18. und 19. Jahrhunderts.

Zugang

Kataloge, Datenbanken und weitere Findmittel

Die Erschließungssituation für die Fragmente ist in weiten Teilen wissenschaftlich ungenügend. Sie sind zwar im dritten Band des Handschriftenkatalogs von Wilhelm Meyer aus dem Jahr 1894 beschrieben, jedoch fanden nicht alle Stücke Berücksichtigung. In den Arbeitsmappen des Historikers Hartmut Hoffmanns (1930–2016), die als Teil seines Nachlasses in der Bibliothek der MGH erhalten sind, sind Katalogisate verschiedener frühmittelalterlicher Fragmente aus Göttingen enthalten, darunter auch ein Stück aus der Sammlung Morbio.

Vor Ort

Aufgrund der schwierigen Erschließungslage empfehlen wir Ihnen, Stücke aus den Fragmentesammlungen mindestens drei Tage vor Ihrem geplanten Besuch per E-Mail anzufragen. Die Fragmente können ausschließlich in Präsenz im Lesesaal für Handschriften und Seltene Drucke im Historischen Gebäude der SUB Göttingen eingesehen werden. Der konservatorische Zustand kann dazu führen, dass einige Stücke von der Benutzung ausgenommen sind.

Digital

Die Urkundensammlung Carlo Morbios aus dem Besitz der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, 3.651 Stücke, wurde komplett digitalisiert und steht über die Digitalen Sammlungen der Bibliothek zum freien Abruf bereit.

Weiterführende Hinweise

  • Gemma Avenoza: Un fragmento de las Epistulae morales de Séneca en castellano (Göttingen: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Morbio 17, Fragmento 3), in: En lengua vulgar castellana traduzido. Ensayos sobre la actividad traductora durante la Edad Media, hg. von Elisa Borsari, San Millán de la Cogolla 2015, S. 45–65.
  • Claudia Gatta: Signacula ex aere collezionismo. Carlo Morbio e le sue raccolte, in: Instrvmenta inscripta, Bd. 5: Signacula ex aere. Aspetti epigrafici, archeologici, giuridici, prosopografici, collezionistici. Atti del convegno internazionale (Verona, 20–21 settembre 2012), hg. von Alfredo Buonopane, Silvia Braito, Rom 2014, S. 267–278.
  • Wilhelm Meyer, Henry Simonsfeld: Verzeichnis einer Sammlung wertvoller Handschriften und Bücher … aus der Hinterlassenschaft des Herrn Cavaliere Carlo Morbio in Mailand welche am 24. Juni 1889 und den folgenden Tagen … durch List & Francke in Leipzig … öffentlich versteigert wird, München 1889. ↗GUK
  • SUB Göttingen, Handschriftenfragmente der Sammlungen Morbio und Müller
  • Emese Tömösvári, Cornelia Ripplinger: In Kontext setzen: Bericht zur Basiserschließung und Restaurierung von Handschriften- und Druckfragmenten an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, in: Bibliotheksdienst 52,5 (2018), S. 348361, https://doi.org/10.1515/bd-2018-0042.

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